Sparen kann man lernen!
Wie alles im Leben, müssen Kinder auch das Sparen lernen. Psychologe und Familientherapeut Urs Abt erklärt im Gespräch, warum das Erlernen von Finanzkompetenzen so wichtig ist und wie Eltern ihre Kinder in dieser Entwicklung unterstützen können. Er ist überzeugt: «Eltern sind ein wichtiges Vorbild!»
Urs Abt
Psychologe und Familientherapeut
Herr Abt, als Erfinder des Jugendlohns haben Sie sich auch viel mit dem Thema Sparen beschäftigt. Wieso finden Sie es wichtig, dass Kinder das Sparen erlernen und wer ist Ihrer Meinung nach dafür verantwortlich?
Sparen können ist ein wichtiger Aspekt der Finanzkompetenz und der allgemeinen Sozialkompetenz. Die primäre Verantwortung, Kindern diese Kompetenz zu vermitteln, liegt klar bei den Eltern und ist ein wichtiger Bestandteil der Erziehung. Und: Erziehung heisst auch immer Beziehung. Diese sollte so offen und lebendig sein, dass man auch über Geld spricht. Kinder sollten von klein auf erleben, dass es ein System gibt: Die Menschen kaufen sich Dinge mit dem Geld, das sie vorher mit ihrer Arbeit verdient haben – und der Geldautomat ist kein Goldesel.
Warum legen wir mit der Entwicklung der Finanzkompetenz einen wichtigen Grundstein für die Zukunft unserer Kinder? Was könnten negative Folgen sein, wenn wir es nicht tun?
Fehlt die Sicherheit im Umgang mit Geld, ist die Gefahr gross, dass Kinder und Jugendliche später beim Einteilen ihrer Finanzen scheitern. Deshalb können sie beispielsweise mit der Anschaffung eines Autos oder beim Eintreffen der nicht eingeplanten Steuerrechnung ganz unbemerkt in Schulden geraten. In der Folge können sie mangels Geld weniger am soziokulturellen Leben teilnehmen und sind ausgegrenzt.
Zu den Finanzkompetenzen gehört auch das Sparen. Welche Fähigkeiten und Eigenschaften sollten ausgebildet werden, damit Kinder sparen lernen können?
Beim Sparen müssen Kinder vor allem lernen, auf etwas zu warten – Geduld ist also eine wichtige Eigenschaft. Vor rund 40 Jahren haben Forscher den sogenannten Marshmallow-Test durchgeführt: Dabei haben Kinder ein Marshmallow bekommen. Wer wartete und das Marshmallow nicht sofort ass, bekam ein weiteres. Viele Kinder sind daran fast verzweifelt. Andere wiederum haben Strategien entwickelt (Wegschauen, Augen schliessen, Teller wegschieben usw.), um der Versuchung zu widerstehen. Kinder, die den Test erfolgreich meisterten, erwiesen im weiteren Testverlauf eine höhere Sozialkompetenz und hatten bessere schulische Leistungen. Geduld und Durchhaltevermögen sind also nicht nur für das Sparen essenziell.
Auf dem Weg in die Selbstständigkeit: Wie sich unsere Kinder entwickeln
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0–3 Jahre: vom hilfsbedürftigen Baby zum Kleinkind
In dieser Zeit lernen Kinder essen, sitzen, krabbeln, laufen, sich selbst anziehen und vieles mehr. Sie werden gerne von den Eltern ermutigt, wenn etwas nicht sofort klappt, und können erste Hürden alleine meistern.
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3 Jahre: Alleine machen!
In diesem Alter ist das Kind nicht mehr unmittelbar darauf angewiesen, dass seine Bedürfnisse sofort erfüllt werden. Es möchte Teil der Gemeinschaft sein und hilft gerne im Haushalt mit. Eltern dürfen Selbstständigkeit und Frustrationen zulassen.
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4 Jahre: Geduld als neue Fähigkeit
Mit vier Jahren können die meisten Kinder ihre Gefühle besser regulieren und auch einmal ein «Nein» akzeptieren. Sie entwickeln Geduld als neue Fähigkeit und lernen zu warten – ein wichtige Grundlage fürs Sparen.
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5 Jahre: planen und sammeln
Kinder beginnen, für ihre Vorhaben zu planen, und organisieren sich die Dinge, die sie dafür brauchen. Eltern können Hilfe dann anbieten, wenn es notwendig ist. Ausserdem wird alles Mögliche gesammelt wie Schnecken, Steine und Sticker. Für Münzen und Noten unterstützt ein erstes Sparschwein die Sammelfreude.
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6 Jahre: erste Wege alleine
Die meisten Kinder sind mit sechs Jahren schulreif. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Die Kinder äussern ihre Bedürfnisse verbal, sie können erste kurze Wege alleine bewältigen und lernen lesen, schreiben und rechnen.
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7 Jahre: sicher in Raum und Zeit
Mit sieben Jahren verstehen die meisten Kinder Konzepte wie Zeit, Entfernungen und Richtungen besser. Dadurch fällt auch das Sparen leichter. Die Eltern sind als sicherer Hafen nach wie vor wichtig.
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8–12 Jahre: die eigene Meinung
In dieser Phase entwickeln Kinder ihre eigene Meinung. Probleme versuchen sie eher zusammen mit Freunden zu lösen, anstatt Erwachsene um Hilfe zu bitten. Auch das Interesse an Geld wächst: Sie verkaufen gerne selbstgemachte Dinge und verwalten ihre Einnahmen.
Wie können Eltern ihre Kinder auch in Sachen Finanzkompetenz in der Entwicklung unterstützen?
Kinder Dinge selbst tun lassen und ihnen damit eine Chance auf viele Erfolgserlebnisse geben – das ist der Schlüssel. Die Sicherheit, immer wieder Erfolg zu erfahren, ist eine wesentliche Grundlage für eine gesunde Entwicklung.
Oft nehmen Eltern den Kindern viel zu viel ab und verwöhnen sie zu sehr – nicht nur in materieller Hinsicht, sondern auch bei ganz kleinen Dingen, wie zum Beispiel beim Anziehen der Schuhe oder der Hose. Das sind für Kleinkinder riesige Erfolgserlebnisse, für die Eltern Geduld aufbringen sollten. Damit fördern sie die Entwicklung in allen Bereichen. Das heisst für die Eltern aber auch, Kontrolle abzugeben – das ist wichtig. Denn: Es kann Menschen beinahe lebensunfähig machen, wenn sie gewohnt sind, dass ihnen alles abgenommen wird.
Wie lernen Kinder, den Wert von Geld einzuschätzen und Prioritäten zu setzen?
Über den selbstverantwortlichen Umgang mit dem eigenen Sackgeld. Generell haben Kinder aber ein sehr klares Gespür für Geld. Ein Beispiel: Ein Kind möchte an der Kasse Schokolade haben. Wenn die Eltern sagen: «Du kannst sie dir gerne von deinem Sackgeld kaufen», dann verzichten die meisten Kinder. Dabei erkennen sie den Wert von Geld und lernen, Prioritäten zu setzen.
Wichtig ist auch, dass es nicht selbstverständlich ist, dass Kinder Geld bekommen. Wenn beispielsweise die Grosseltern den Kindern Geld schenken, kann man den Kindern den Wert des Geldgeschenks vermitteln, indem sich das Kind damit einen Wunsch erfüllt. Die Eltern können auch dabei helfen, dass die Kinder sich für geschenktes Geld bedanken, zum Beispiel mit einen Brief oder einer Zeichnung. Auch das zeigt Kindern, dass Geld keine Selbstverständlichkeit ist.
Wenn Sie einem Kind das Sparen beibringen müssten, was würden Sie tun?
Nun, da muss man sich fragen: Was braucht ein Kind, damit es das Sparen lernen kann?
Erstens Geld, zweitens Aufgaben, die es mit diesem Geld bewältigen oder lösen muss, und drittens das Vertrauen der Eltern, dass es dies kann.
Konkret also: Ich würde dem Kind Geld (je nach Alter Sackgeld oder ab zwölf Jahren Jugendlohn) geben und ihm die Verantwortung für Teile seiner Bedürfnisse übergeben, ab zwölf Jahren auch für existenziell wichtige Dinge (Kleider, Schuhe usw.). Sobald das Kind das nötige Geld für einen bestimmten Wunsch zusammengespart hat, würde ich mit ihm in das Geschäft gehen und das Kind den Wunsch mit seinem eigenen Geld bezahlen lassen. Oft sind Kinder danach traurig, weil ihr Geld weg ist. Ich würde ihm aber auf gar keinen Fall zum Trost einfach Neues geben, sondern erklären: «Ab jetzt kannst du dein Sackgeld für einen neuen Wunsch sparen.»
Kinder über zwölf, die den Jugendlohn erhalten, sollten selbst entscheiden, ob sie alleine einkaufen gehen oder die Eltern als Berater mitnehmen. Das Erlebnis, Geld selbst einzuteilen und Prioritäten zu setzen, motiviert Kinder und Jugendliche auch, andere Teile ihres Lebens selbstverantwortlich zu bewältigen. Die Erfahrung zeigt, dass Kinder die übertragene Verantwortung sehr ernst nehmen und sich grosse Mühe geben, das Vertrauen ihrer Eltern nicht zu enttäuschen.
Welchen Tipp würden Sie unseren Lesern abschliessend mit auf den Weg geben?
Seien Sie Vorbild für Ihre Kinder, und leben auch Sie ihnen das Sparen vor. Es hilft, wenn Sie ihren Kindern beispielsweise erklären, dass sie gerade für die Ferien sparen und daher jetzt auf ein neues Paar Schuhe verzichten. Sprechen Sie mit Ihren Kindern über Geld, erzählen Sie von Ihren Wünschen, und gehen Sie zusammen einkaufen, wenn ein Sparziel erreicht ist – dann können Sie sich gemeinsam freuen.
Mit grösseren Kindern können Sie auch gut über das Familienbudget reden und Kosten für Wohnen, Essen, Ferien, Auto usw. besprechen und diskutieren.