Home Bias der Schweizer Pensionskassen versus Marktportfolio

Home sweet home – auch im Pensionskassenportfolio?

Die Übergewichtung des Heimmarktes – der Home Bias – im Portfolio der Schweizer Pensionskassen hat sich in Krisensituationen positiv auf die Renditen ausgewirkt. Dies zeigt sich auch in der aktuellen Corona-Krise. Wäre dennoch eine stärkere Orientierung am Marktportfolio angezeigt?

Ein Anleger, der nach finanztheoretischen Grundlagen investiert, orientiert sich am Marktportfolio. Dieses enthält alle Anlagen im Verhältnis zum Marktwert und bietet die höchste Entschädigung für das eingegangene Risiko. Breit diversifiziert, neutralisiert es die vom Finanzmarkt nicht entschädigten idiosynkratischen Risiken vollständig und hat ein Beta von 1.

Ein Blick auf die Vermögensaufteilung der Schweizer Pensionskassen zeigt jedoch eine deutliche strukturelle Abweichung von diesem theoretischen Konzept. Dies insbesondere im Hinblick auf die geografische Allokation. Ende März 2020 waren gemäss Pensionskassenindex 24,4 % der Gesamtanlagen in ausländische Obligationen, Immobilien und Aktien investiert.

Im Marktportfolio ergibt sich der optimale Heimmarktanteil aus dem Verhältnis der Marktkapitalisierung der Schweiz zu den anderen Ländern im Referenzindex. Demnach müsste die Allokation in ausländische Obligationen, Immobilien und Aktien deutlich höher sein. Das durchschnittliche institutionelle Portfolio weist im Vergleich zum Marktportfolio eine signifikante Verzerrung in Richtung Schweiz auf.

Ausgeprägter Home Bias in allen Anlagekategorien

Wie in untenstehender Abbildung ersichtlich, besteht dieser Home Bias in allen grossen Anlagekategorien. Im Obligationenportfolio beträgt der Auslandsanteil gemäss Pensionskassenindex 16 % statt 99 % gemäss Marktgewichtung und hat in den letzten Jahren sogar leicht abgenommen. Hingegen haben Investoren die ausländische Immobilienallokation erhöht. Mit lediglich 12 % (statt 99 %) bleibt sie jedoch auf sehr tiefem Niveau. Der Anteil ausländischer Aktien liegt bei 56 % des Aktienportfolios im Pensionskassenindex und hat sich in den letzten zehn Jahren kaum verändert.

Home Bias bei Schweizer Pensionskassen: Auslandsanteil Anlagekategorien

Auslandsanteil Anlagekategorien

Quellen: Credit Suisse Pensionskassenindex, Stand 31.03.2020 (PKI Q1 2020); Global Pension Asset Study 2020, Willis Towers Watson

Historische Wertentwicklungen und Finanzmarktszenarien sind keine verlässlichen Indikatoren für zukünftige Ergebnisse

Gemäss Global Pension Assets Study 2020 weisen auch die Aktien- und Obligationenportfolios von ausländischen Vorsorgeeinrichtungen eine deutliche Präferenz für den jeweiligen Heimmarkt auf. Im internationalen Vergleich liegt die Schweiz im Hinblick auf die Ausprägung des Home Bias im Mittelfeld. Neben steuerlichen Aspekten, Währungsrisiken und Informationsasymmetrien ist die Heimmarktneigung auch in verhaltensökonomischen Aspekten wie (vermeintlich) besserer Marktkenntnis durch geografische Nähe oder Renditeoptimismus im Heimmarkt begründet. Die Sonderstellung der Schweiz als sicherer Hafen kann ebenfalls einen Erklärungsbeitrag für ihren verhältnismässig hohen Anteil im Portfolio leisten. Gerade in Krisenzeiten dient der Schweizer Franken als Fluchtwährung für Anleger. Er wertet sich seit Jahrzehnten strukturell auf.

 

Aus regulatorischer Sicht gibt es für Schweizer Pensionskassen bei den Anlagekategorien einzig im Fall der Immobilien eine Vorgabe zum zulässigen Auslandsanteil. Dieser wird auf ein Drittel der maximalen Immobilienallokation begrenzt (BVV 2, Art. 55 lit. C), was 10 % der Gesamtanlagen entspricht. Der Anteil ungesicherter Anlagen in Fremdwährungen wird vom Regulator auf 30 % limitiert.

Irrationale Anlagestrategien durch Dominanz des Heimmarktes Schweiz?

Die Portfoliotheorie legt nahe, dass ein so deutlicher Home Bias zu einem Defizit an Diversifikation und entsprechend zu Portfolios mit suboptimalem Rendite-Risiko-Verhältnis führt. Hat die Dominanz des Heimmarktes dennoch ihre Berechtigung?

Tatsächlich konnten Portfolios mit einem überproportionalen Anteil Schweizer Titel in der aktuellen Corona-Krise bessere Renditen verbuchen. Auch in der Dotcom-Blase und der Finanzkrise verloren sie deutlich weniger.

Die untenstehende Abbildung zeigt die Wertentwicklung eines Portfolios, das in Anlehnung an die aktuelle Allokation im Pensionskassenindex aus 48 % Aktien, 46 % Obligationen und 6 % Liquidität besteht. Im Portfolio «Home Bias» wird innerhalb der Anlagekategorien nach tatsächlicher Aufteilung zwischen Schweiz und Ausland investiert. Im Portfolio «Markt» hingegen nach Anteil der Schweiz am Gesamtmarkt. Im Betrachtungszeitraum von Januar 2002 bis März 2020 hat das Portfolio «Home Bias» mit 3,7 % p. a. eine höhere Rendite erzielt als das Portfolio «Markt» (3,1 % p. a.), und dies bei tieferer Volatilität. Den maximalen Verlust erlitten beide Portfolios im Februar 2009. Jedoch war er im Portfolio «Home Bias» mit 26,4 % etwas moderater (28,4 % Portfolio «Markt»). Historisch konnte über die letzten knapp 20 Jahre mit dem Home Bias eine bessere risikoadjustierte Rendite erzielt werden.

Die Grafik zeigt jedoch, dass dies nicht für alle Marktphasen gilt. In Aufwärtsphasen ist keine Systematik erkennbar. So hat das Portfolio «Markt» im zehnjährigen Bullenmarkt nach der Finanzkrise besser rentiert, in der Aufwärtsphase von Mai 2004 bis Oktober 2007 aber das Portfolio «Home Bias». In Krisenphasen hat hingegen immer das Portfolio «Home Bias» besser abgeschnitten, das heisst weniger verloren. Dieses Muster bestätigt sich für verschiedene Allokationen. So auch bei einem Portfolio, das zu 25 % in Immobilien, 35 % in Aktien, 34 % in Obligationen und 6 % in Liquidität investiert ist. In diesem Fall für den Zeitraum von Januar 2007 bis Dezember 2019. Auch hier ist in den Aufwärtsphasen der Aktienmärkte kein eindeutiges Muster erkennbar, jedoch ist das Portfolio «Home Bias» in Abwärtsphasen durchgehend überlegen.

Renditeentwicklung Portfolio mit und ohne Home Bias

Renditeentwicklung Portfolio mit und ohne Home Bias 01.2002 – 03.2020

Quelle: Credit Suisse AG, www.six-group.com

Zeitraum: 31.01.2002 bis 31.03.2020. Verwendete Indizes: FTSE Swiss GBI vom 31.01.2002 bis 31.12.2006 und Swiss Bond Index AAA-BBB TR vom 31.12.2006 bis 31.03.2020, BBgBarc Global Aggregate TR hgd, SPI TR, MSCI World 100 % NR hgd, CHF 3M-Libor.

Historische Wertentwicklungen und Finanzmarktszenarien sind keine verlässlichen Indikatoren für zukünftige Ergebnisse

Die Attraktivität des Portfolios «Home Bias» im Betrachtungszeitraum ist massgeblich der starken Performance der Schweizer Aktien gegenüber dem Weltindex geschuldet. Diese haben insbesondere in den drei grossen Einbrüchen im Betrachtungszeitraum weniger verloren. Bei den Obligationen war der Renditeunterschied zwischen in- und ausländischen Anlagen hingegen relativ gering.

Wie sich die strukturelle Abweichung vom Marktportfolio inskünftig auf die Rendite und das Risiko des Pensionskassen-portfolios auswirkt, hängt von der Renditeentwicklung der Schweizer Titel im Vergleich zu den ausländischen sowie von den Korrelationen im Portfoliokontext ab und dürfte wiederum je nach Betrachtungszeitraum und verwendeten Indizes variieren.

Marktportfolio greift zu kurz

Dies zeigt, dass eine reine Ausrichtung nach dem finanztheoretischen Marktportfolio zu kurz greift. In der Denkweise des Marktportfolios entspricht die optimale Allokation der marktgewichteten Summe aller Anlagen. Diese ist jedoch in der Praxis kaum umsetzbar. Zwar machen es breit gefasste kapitalgewichtete Indizes möglich, annäherungsweise proportional zur Marktkapitalisierung zu investieren. Dennoch bilden sie immer nur einen Teil des Anlageuniversums ab. So deckt der weit verbreitete MSCI ACWI Index mit über 3000 Titeln nur rund 85 % der globalen Aktien ab und lässt beispielsweise Frontier Markets, nicht kotierte sowie Unternehmen mit einem tiefen Free Float aussen vor. Das Marktportfolio enthält hingegen alle Titel, unabhängig von Grösse und Free Float. In der Realität ist es für Pensionskassen nicht möglich, in ein Portfolio mit dem (theoretisch) optimalen Rendite-Risiko-Verhältnis zu investieren.

Es gilt, für jede Anlagekategorie abzuwägen, welche Marktcharakteristiken und Erwartungen eine höhere Gewichtung des Heimmarktes rechtfertigen, und die langfristige strategische Anlageallokation im Rahmen einer ALM-Analyse sorgfältig festzulegen. Kurz- bis mittelfristige Erwartungen können über taktische Investitionen in der Umsetzung dieser Strategie mit einbezogen werden. So können einzelne Länder im Portfolio unter- respektive übergewichtet werden.

Schweizer Obligationen ermöglichen sichere Abstimmung auf Verpflichtungen

Schaut man das Obligationenportfolio etwas genauer an, führt eine zu starke Verzerrung in Richtung Schweizer Markt zu Konzentrationsrisiken. Denn der Markt für Obligationen in CHF wird von Emittenten aus dem Finanzsektor dominiert und ist somit schlechter diversifiziert als der globale Markt. Gleichzeitig ist die Liquidität im Vergleich zu anderen Märkten deutlich tiefer. Der Einbezug von in CHF abgesicherten Fremdwährungsobligationen kann dem entgegenwirken. Aufgrund der hohen Korrelation der Renditen von Obligationen CHF und Obligationen FW (hgd)1 (0,92 über die letzten zehn Jahre) erachten wir diese langfristig für den Gesamtmarkt als gleichwertig wie Obligationen CHF.

Obligationen spielen jedoch auch im Risikomanagement von Schweizer Vorsorgeeinrichtungen eine zentrale Rolle. Denn deren Verpflichtungen sind ausschliesslich in Franken denominiert und können mit Obligationen mit hoher Sicherheit gedeckt werden. Dabei ermöglichen Obligationen CHF das sicherste Cashflow Matching, da sämtliche Zahlungen direkt in Schweizer Franken erfolgen.

Gerade bei Kassen mit einem hohen Rentneranteil und entsprechend tiefer struktureller Risikofähigkeit kann eine höhere Gewichtung der inländischen Obligationen durchaus gerechtfertigt sein.

Nicht entschädigte Risiken bei Aktien

Bei den Aktien ist es aus ALM-Überlegungen schwer, für den Home Bias zu argumentieren. Dies insbesondere aufgrund der schlechten Diversifikation des Schweizer Aktienmarktes. Die Schwergewichte Nestlé, Novartis und Roche repräsentieren über die Hälfte des Swiss Performance Index, die grössten zehn Titel rund 70 %. Auch die Branchenstruktur ist äusserst unausgeglichen, da rund zwei Drittel des Marktes vom Gesundheitssektor bestimmt werden. Diese Konzentration sowohl auf Titel- als auch auf Sektorebene führt zu titelspezifischen Risiken, die nicht entschädigt werden.

Ein Home Bias wäre nur dann gerechtfertigt, wenn Schweizer Aktien strukturell attraktivere Renditen erwirtschaften. In der jüngsten Vergangenheit war dies der Fall. So lag die reale jährliche Rendite von Schweizer Aktien in Schweizer Franken im Zeitraum von 2000 bis 2019 mit 3,1 % p. a. 1 % über jener der globalen Aktien (2,1 % p. a.). Schaut man jedoch die Perioden von 1970 bis 2019 oder gar von 1900 bis 2019 an, waren die globalen Aktien überlegen2. Langfristig gehen wir von vergleichbaren Risikoprämien für in- und ausländische Titel aus. Denn es existiert keine ökonomische Erklärung, weshalb sich der Schweizer Aktienmarkt langfristig besser entwickeln sollte als der globale Markt.

Im Pensionskassenindex beträgt die Aktienallokation derzeit 28,8 %, aufgeteilt auf 16,2 % inländische und 12,6 % ausländische Titel. Geht man von der Marktgewichtung aus, müssten die ausländischen Aktien jedoch 27,7 % der Gesamtallokation ausmachen. Der Home Bias ist zwar bei den Aktien am wenigsten stark, jedoch deutlich sichtbar. Allerdings wird er im Sonderfall Schweiz etwas durch die Tatsache relativiert, dass grosse, international ausgerichtete Konzerne einen Grossteil des Schweizer Aktienmarktes ausmachen. Die Schweiz ist zwar deren Kotierungsstandort, jedoch erzielen diese Unternehmen ihren Umsatz mehrheitlich im Ausland und bieten de facto ein globales Exposure.

Strukturelle Vorteile des Schweizer Immobilienmarktes

Bei den Immobilien ist die Dominanz des Heimmarktes in den Portfolios von Schweizer Pensionskassen besonders ausgeprägt. Dafür gibt es handfeste Gründe. Einerseits ist der Home Bias teilweise historisch gewachsen, da Pensionskassen in den Anfangsjahren der beruflichen Vorsorge Wohnraum für die Versicherten zur Verfügung stellten. Andererseits ist der Schritt ins Ausland äusserst anspruchsvoll und erfolgt primär über Fonds. Dabei stellen die eingeschränkte Handelbarkeit, steuerliche Aspekte oder auch Transaktionskosten zusätzliche Hürden dar.

Aufgrund der limitierten Grösse des Schweizer Marktes und der relativen Homogenität führt der ausgeprägte Home Bias zu sehr konzentrierten Portfolios. Diese sind den Schweizer Rahmenbedingungen in den Bereichen Mietrecht, Migration, Demografie oder Bauvorschriften überproportional ausgesetzt.

Dennoch lässt sich ein gewisser Heimmarktanteil aufgrund der Struktur des Schweizer Immobilienmarktes rechtfertigen. Der heimische Immobilienmarkt weist einen verhältnismässig hohen Anteil an Wohnliegenschaften auf. Deren Renditen sind durch den starken Mieterschutz stabil und entwickeln sich deutlich unabhängiger von der wirtschaftlichen Entwicklung als jene aus kommerziellen Liegenschaften und korrelieren entsprechend weniger stark mit den Schweizer Aktien.

Dennoch sollten die Chancen des heterogenen globalen Immobilienmarktes nicht ausser Acht gelassen werden. Mit einer Korrelation von -0,153 entwickeln sich ausländische Immobilienfonds weitgehend unabhängig von den Schweizer Fonds und erlauben nicht nur eine Diversifikation über Objekte und Regionen, sondern auch über verschiedene Konjunkturzyklen.

Differenzierte Betrachtung nach Anlagekategorie erforderlich

Das durchschnittliche Pensionskassenportfolio weist in allen Anlagekategorien eine signifikante Verzerrung in Richtung Schweizer Markt auf und weicht damit deutlich vom theoretischen Marktportfolio ab. Ex post hat sich der Home Bias insbesondere in Krisensituationen bewährt.

Allerdings gilt es, eine differenzierte Betrachtung für die einzelnen Anlagekategorien vorzunehmen. Bei den Obligationen und Immobilien kann eine Übergewichtung heimischer Titel aus Risikomanagement- und strukturellen Überlegungen gerechtfertigt sein. Bei den Aktienanlagen ist der Home Bias in der aktuellen Allokation des Pensionskassenindex am wenigsten ausgeprägt. Obwohl er sich in einzelnen Phasen positiv auf die Rendite auswirken kann, ist er langfristig schwer zu begründen, denn gerade im sehr konzentrierten Schweizer Markt führt das Defizit an internationaler Diversifikation zu unsystematischen Risiken.

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