Mit Kindern über Schulden sprechen
Der Nachbarsjunge, der sich Geld für den Eintritt in die Badi leiht, weil er sein Portemonnaie vergessen hat, oder der Freund, der Geld fürs Kino braucht: Schulden werden am Familientisch schnell zum Thema. Was es dabei zu beachten gilt und wie Sie Kinder für Schulden sensibilisieren, erklärt Daniel Betschart von Pro Juventute in seiner Kolumne.
Klar, von Konsumkrediten, Hypotheken oder Leasing sind Kinder und Jugendliche höchstens indirekt betroffen. Dennoch kommen auch sie mit einigen Schuldenformen in Berührung, beispielsweise beim Handy, das oft durch einen monatlichen Betrag mit den Abogebühren in Raten abbezahlt wird. Ebenso wenn sie Geld von Kollegen oder den Eltern ausleihen, weil sie ihr Taschengeld gerade nicht dabeihaben oder dieses schon aufgebraucht ist. Von Schulden spricht hierbei kaum jemand, «geschuldet» wird der Betrag aber trotzdem.
Kinder leihen und verleihen Geld – das ist normal
Viele Kinder und Jugendliche berichten, dass das Ausleihen von Geld im Kollegenkreis normal und auch kein Problem ist, solange nicht «übertrieben» wird. Für die einen sind die Kosten für die Schleckwaren am Kiosk okay, bei anderen das ausgeliehene Geld für neue Schuhe. Es ist ein Geben und Nehmen und gleicht sich auf die Dauer innerhalb der Clique oder des Freundeskreises wieder aus. Doch selbst unter Freunden gibt es eine Schmerzgrenze. Oft wird diese erreicht, wenn feststeht, dass ein geschuldeter Betrag nicht automatisch ausgeglichen wird und der Betrag deshalb möglichst schnell zurückbezahlt werden soll.
Die eigenen Grenzen kennenlernen heisst auf Gefühle hören
Um diese Schmerzgrenze zu erkennen, können Kinder und Jugendliche lernen, auf ihre Gefühle zu hören. Ein ungutes Gefühl in der Bauchregion sagt uns, dass mit Schulden ein gewisses Risiko verbunden ist. Dieses Gefühl kann sowohl bei der Person aufkommen, die das Geld gibt, aber auch bei jener Person, die das Geld bekommt. Je nachdem, wem wir etwas ausleihen oder bei wem wir Schulden haben, kann sich dieses Gefühl der Unsicherheit noch verstärken. Diese Unsicherheit ist demnach der eigentliche Unterschied zwischen problematischen und scheinbar unproblematischen Schulden.
Ein ungutes Gefühl in der Bauchregion sagt uns, dass mit Schulden ein gewisses Risiko verbunden ist.
Daniel Betschart, Pro Juventute
Über Schulden sprechen stärkt den verantwortungsvollen Umgang
Ganz unproblematisch sind Schulden aber in kaum einer Form. Jede Schuld birgt ein gewisses Restrisiko, da es Faktoren gibt, die nicht oder kaum beeinflussbar sind. Der Kollege oder die Kollegin, dem mein Kind einen Eistee gekauft hat, bekommt vielleicht plötzlich kein Taschengeld oder hat den Überblick verloren, wem er alles Geld zurückbezahlen muss. Um einen verantwortungsvollen Umgang mit Geld zu lernen, ist es für Kinder wichtig, dass Eltern mit ihnen über möglichst alle Aspekte von Geld reden, also auch über Schulden. Als idealer Zeitpunkt ist in erster Linie nicht das Alter des Kindes ausschlaggebend, sondern vielmehr ob das Kind Fragen hat oder Interesse zeigt.
Bevor Schulden gemacht werden, sollte man sich immer die Frage stellen, ob man sich dieses Risiko leisten kann. Das gilt sowohl für Erwachsene als auch für Kinder und Jugendliche. Dabei spielt auch eine Rolle, ob man die eigenen Finanzen im Griff hat: Habe ich den Überblick über meine Ausgaben? Habe ich ein Budget und weiss ich, welche Kosten noch auf mich zukommen? Habe ich Geld für Unvorhergesehenes auf der Seite? Über solche Fragen können Eltern mit ihren Kindern diskutieren und herausfinden, welche Auswirkungen eine «Schuld» haben könnte.
Eine Kolumne von Daniel Betschart