US-Börsen: Der Bullenmarkt hält an
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US-Börsen im Aufwind. Das steckt dahinter.

Der Höhenflug der US-Börsen scheint unaufhaltsam. Doch so aussergewöhnlich ist das nicht – zumindest aus historischer Sicht. Zudem verfügen die USA über einzigartige Standortvorteile – sei es in puncto Wirtschaftskraft, Innovationsfähigkeit, Risikokultur oder auch Geopolitik. Welche Argumente für ein Fortdauern des US-Bullenmarkts sprechen und worauf Anlegerinnen und Anleger achten sollten – all das lesen Sie im Artikel.

US-Höhenflüge im historischen Vergleich

Die Gewinne der US-Wirtschaft und die Börsen erscheinen momentan nahezu schwerelos. Vor fünf Jahren sah das noch anderes aus: Damals lagen die erwarteten Gewinne pro Aktie im MSCI US noch gleichauf mit jenen des MSCI World (ohne USA). Heute betragen sie mit 230 US-Dollar pro Aktie zehnmal mehr als im Rest der Welt mit je 23.9 US-Dollar pro Aktie. Diese sich öffnende Gewinnschere geht zwar zum Teil auf die in den USA beliebten Aktienrückkäufe zurück. Doch auch der Höhenflug des S&P 500 mit einer Zunahme um 42 Prozent seit dem 12. Oktober 2022 ist bemerkenswert. Das dürfte noch etwas Luft nach oben haben. Immerhin stammt seine Performance vor allem aus Gewinnrenditen und weniger aus steigenden Bewertungen. Und weil dahinter bekanntlich eine kleine Anzahl Grossunternehmen, die «glorreichen Sieben», stehen, ist noch Raum für Nachzügler vorhanden.

Ein solcher Erfolg ist nicht neu. Vergleichen wir: 1969 lag die Wirtschaftsleistung pro Kopf in den USA mit 5’000 US-Dollar noch ähnlich hoch wie in Deutschland. Heute übertrifft sie Letztere um 52 Prozent mit 80’412 versus 52’823 US-Dollar, wie Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) zeigen. Darüber hinaus liegt sie gegenwärtig mehr als sechsmal über jener in China, der zweitgrössten Volkswirtschaft. Und: Der S&P 500 notierte 1969 noch bei 92 Punkten. Heute handelt er mehr als 50-mal höher. Allerdings entsprach ein US-Dollar damals noch mehr als vier Schweizer Franken. Die Abwertung des Greenback ist vielleicht die sichtbarste Schattenseite des vielfältigen US-Exzeptionalismus.

«Let the Good Times Roll»: Gründe für Investments in den USA

Nehmen die US-Börsen nicht schon das bestmögliche aller Zukunftsszenarien vorweg? Die Sorge ist so alt wie die Börsen. Sie hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht bestätigt – und dürfte es auch in diesem Jahrzehnt nicht tun. Im Folgenden werden neun Gründe genannt:

1. «Made in the USA»

Die Reindustrialisierung der US-Wirtschaft ist ein prägendes Vermächtnis der Regierung Biden. Ihre drei grossen Infrastrukturprogramme «Inflation Reduction Act», «CHIPS Act» und «Build Back Better Act» schaffen nicht nur Jobs, sondern stärken auch Produktivität dank kürzerer Lieferketten, verstärkter Automatisierung und der reichlich vorhandenen Energiequellen. Quasi jede Woche wird in den USA eine neue Fabrik eröffnet. Dieser Boom bei Fabrikbauten stützt nicht nur die Konjunktur, sondern auch unser «Roaring Twenties»-Szenario einer mehrjährigen Phase von produktivitätsgetriebenem und disinflationärem Wirtschaftswachstum.

US-Wirtschaft: Fabrikbau boomt

Der Fabrikbau in den USA boomt

Quellen: Macrobond, UBS, per Dezember 2023

2. Bemerkenswerte US-Unternehmensgewinne

Die jüngsten US-Unternehmensgewinne haben erneut die Erwartungen der Analystinnen und Analysten übertroffen. Es gibt einfach kaum greifbare Hinweise auf einen breiten Umsatzeinbruch bei US-amerikanischen Unternehmen. Kein Wunder, dass die meisten Gewinnerwartungen für 2024 und 2025 steigen – bislang jedoch nicht ins Unermessliche.

Zudem zeigt sich der Mittelstand optimistisch, wobei allerdings Inflation, Steuern, Personalmangel und Unterbrüche der Lieferketten als Herausforderungen zu nennen sind.

3. Sinkende US-Inflation

Trotz erneuter Lieferkettenunterbrüche geht die US-Inflation zurück. Denn erstens sinkt die Güterinflation weiterhin. So haben China und viele US-Einzelhändler ihre Verkaufspreise rabattiert, weil Konsumentinnen und Konsumenten zurzeit mehr Geld für Reisen und Dienstleistungen als für physische Konsumgüter ausgeben. Zweitens verzerrt die langsame Anpassung von Mieten die in den USA ausgewiesene Kerninflation. Der jüngste Rückgang nationaler US-Mietzinsindizes suggeriert, dass die offizielle Kerninflation (3,9 Prozent) nach Berücksichtigung der gesunkenen Mietzinsen eher tiefer liegt. Natürlich werden solche Zusammenhänge von den Märkten diskontiert. Doch wenn sie offizialisiert werden, dürften Zinsen nochmals rutschen und die Märkte profitieren.

4. Kein Ende des Bullenmarkts

Der aktuelle US-Bullenmarkt hat seit Oktober 2022 um 42 Prozent zugelegt und scheint mittlerweile die Phase eines «reifen» Bullenmarkts erreicht zu haben. Eine solche Phase kann lange andauern. Die vormals enge Marktführerschaft verbreitert sich. Viele institutionelle Anleger versuchen, einen Fuss in den Bullenmarkt zu bekommen, an dem sie im selbstkritischen Rückblick bislang zu wenig partizipiert haben. Kurzum: Der aktuelle US-Bullenmarkt könnte womöglich noch über Energie für mehrere Jahre verfügen.

5. Angemessene Bewertungen

Die meisten US-Unternehmen handeln immer noch zu tieferen Kurs-Gewinn- Verhältnissen (KGV) als Anfang 2022. Selbst die Bewertung der «glorreichen Sieben» ist nicht mit dem Überschwang der Dotcom-Blase vergleichbar. Ihre Geschäftsmodelle sind kapitaleffizient, ertragsstark und vergleichsweise risikoarm. Die KGV der Small- und Mid-Caps im S&P 400 und S&P 600 notieren mehrheitlich zwischen 14x und 15,5x. Zwischen den Stilen «Value» und «Growth» klafft eine KGV-Differenz von 11,8x. Die Risikoprämie des S&P 500 (3,68 Prozent) entspricht ungefähr dem Durchschnittswert der letzten 40 Jahre. Zum Vergleich: Während der Dotcom-Blase sanken viele Aktienrisikoprämien unter null Prozent.

6. Technologie, Innovation und Tipping Points

Politik, Wirtschaft und Umwelt weisen zurzeit zahlreiche Tipping Points auf. Sie können entstehen, wenn die Gunst der Stunde und aktives unternehmerisches Handeln zusammenfallen. Das Gewinnwachstum des US-Chipherstellers Nvidia illustriert exemplarisch die Kraft von wirtschaftlich-technologischen Tipping Points. Könnten diese auch anderen Unternehmen ein ähnliches Gewinnwachstum bescheren? Wer weiss. Die Geschichte lehrt, dass mehrere Tipping Points oft zusammenfallen.

Mag sein, dass etwa die gegenwärtige KI-Euphorie auch «heisse Luft» enthält. Aber der wirtschaftliche Schub infolge des Ausbaus digitaler Infrastruktur – sei es durch Staaten, Unternehmen oder vonseiten der Privathaushalte – ähnelt einem fahrenden Zug, der seinen Bahnhof verlassen hat. So funktioniert Disruption: Lange Zeit bleibt alles beim Alten – und plötzlich ist es anders.

US-Börse: Nvidias Gewinnwachstum

Nvidias Gewinnwachstum illustriert die Kraft von Tipping Points

Quellen: Bloomberg, UBS, per 1. Quartal 2024

7. Eine Symbiose aus Innovatoren und Kapitalmärkten

In den USA befindet sich unter anderem der effizienteste, mächtigste Kapital- und Venture-Capital-Markt der Welt. Nirgendwo in Europa oder Asien existiert ein vergleichbar liquider Sekundärmarkt für Start-up-Beteiligungen oder eine vergleichbar institutionalisierte Risikokultur. Das verschafft den USA einen globalen Wettbewerbsvorteil. Es ist eine einzigartige Symbiose zwischen Innovatoren, Unternehmen und Risikokapitalgebern. Ausserdem befinden sich in den USA die praxisorientierten Ivy-League-Universitäten. Sie ziehen jedes Jahr Talente aus der ganzen Welt an. Und schliesslich locken Grösse, Homogenität und Kaufkraft der US-Wirtschaft. Die US-Wirtschaftsleistung von fast 27 Billionen US-Dollar übertrifft gemäss IWF jede Volkswirtschaft der Welt.

8. Die wachstumsstärkste Wirtschaft der Welt

Die USA sind nicht nur einzigartig in Bezug auf die Geopolitik oder im unerreichten Rohstoffreichtum, sondern auch in der Wirtschaft. Gemäss der OECD wuchs die US-Wirtschaft seit dem vierten Quartal 2019 real um rund 8,2 Prozent. Die G7-Länder kamen im selben Zeitraum auf 5,1 Prozent. Frankreich und England liegen bei 1,8 respektive 1 Prozent, Deutschland verzeichnet nur 0,1 Prozent. Hinter solchen Unterschieden stecken mehr als nur Zahlen. Viele junge Menschen sind fasziniert von der Anziehungskraft der US-Wirtschaft. In den Begriffen «Silicon Valley», «Start-up» oder «Venture-Capital» schwingt auch der Traum einer Kreislaufwirtschaft mit, die unternehmerische Risiken als Chancen für Fortschritt sowie nachhaltiges Wachstum als globale Chance erachtet.

9. Vermögende US-Konsumentinnen und -Konsumenten

Konsum und Produktivitätsgewinne stützen derzeit die US-Wirtschaft. Dass die US-Konsumentinnen und -Konsumenten viel ausgeben, erstaunt nicht: Eigenkapital und Vorsorgeersparnisse der US-Privathaushalte sind zurzeit höher denn je. Die Reallöhne der unteren und mittleren Einkommensklassen wachsen. Die US-Privatschulden und ihr Wachstum sind vergleichsweise tief.

US-Haushalte: Nettovermögen bleibt hoch

Nettovermögen der US-Haushalte ist nach wie vor hoch

Quellen: Macrobond, UBS. Per drittes Quartal 2023.
Anmerkung: Die grau schattierten Balken markieren Rezessionen gemäss dem NBER.

Worauf Anlegerinnen und Anleger achten sollten

Die aussergewöhnliche Geschichte der USA ist auch die Geschichte einer einmaligen Symbiose aus mehreren Faktoren: Dazu gehören etwa Macht, Wirtschaft oder Geografie. Sie alle haben sich in der jüngeren Geschichte meist zum wirtschaftlichen Vorteil verbunden. Anlegerinnen und Anleger sollten nicht gegen diese Dynamik wetten. Die USA bieten eine einzigartige Plattform für neue Ideen: Ob bei Investitionen in Zukunftsfeldern wie Infrastruktur, Energiewende, Nachhaltigkeit, Technologie oder Robotik – US-Unternehmen sind fast immer an vorderster Front dabei. Daher können es sich Anlegerinnen und Anleger nicht leisten, unterinvestiert zu sein. Allerdings müssen sie aber auch darauf achten, dass die Konzentration nicht überhandnimmt und das Engagement nicht zu gross ausfällt. Zur Orientierung sei erwähnt, dass US-Aktien 63 Prozent der weltweiten Aktienmarktkapitalisierung ausmachen. Im Rahmen unserer globalen Präferenzen stufen wir US-Aktien insgesamt neutral ein, aber wir bevorzugen innerhalb des Markts Technologietitel und Small Caps, die zur Diversifikation beitragen.

Weitere Chancen finden Anlegerinnen und Anleger in Private Markets: Trotz wichtiger Börsen werden die meisten US-Unternehmen immer noch privat gehalten und geführt. Doch der effiziente US-Kapitalmarkt erlaubt Anlegerinnen und Anlegern, dort einfacher als irgendwo sonst in Start-ups und Private Equity zu investieren. Ihr historischer Erfolg ist der beste Beleg für ihr ungebrochenes Potenzial.

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