Selbst- statt Fremdbestimmung: Der Vorsorgeauftrag
Seit 2013 können Sie rechtzeitig Vorkehrungen treffen, damit nach einem Unfall oder einer schweren Krankheit Ihre finanziellen und Ihre gesundheitlichen Wünsche auch dann erfüllt werden, wenn Sie selber nicht mehr dazu in der Lage sind.
Das Schöne: Wir werden immer älter. Damit man dem dritten Lebensabschnitt aber gelassen entgegenschauen und ihn so richtig geniessen kann, müssen viele Entscheide von grosser Tragweite heute getroffen werden. Fakt ist: Solange gesundheitlich alles in Ordnung ist, neigen wir dazu, die heiklen Themen im Kopf beiseitezuschieben. Das kann sich rächen, denn wer sich nicht rechtzeitig absichert, riskiert, dass im Notfall nicht die von ihm gewünschten Personen für ihn entscheiden. Und das wollen die meisten dann doch lieber nicht.
Mehr Selbstbestimmung
Das bisherige Vormundschaftsrecht wurde 2013 durch das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht KESR abgelöst. Der grosse Vorteil: Dieses stärkt das Selbstbestimmungsrecht in Situationen, in denen eine Person ihre Anliegen und Wünsche nicht mehr selber ausdrücken kann. Beispielsweise bei einer schweren Erkrankung oder nach einem Unfall. Selbstbestimmung statt Bevormundung steht im Zentrum.
Individuelle Beistandschaften
Konkret heisst das: Das seit 1912 praktisch unverändert gültige Vormundschaftsrecht entsprach nicht mehr unserer aktuellen Auffassung vom Recht auf Selbstbestimmung. Die Behörden können neu individuell massgeschneiderte Beistandschaften anordnen. Das Gesetz unterscheidet zwischen Begleit-, Vertretungs-, Vermögensverwaltung-, Mitwirkungs- sowie kombinierten und umfassenden Beistandschaften. Eine umfassende Beistandschaft ist gleichbedeutend mit einer Entmündigung und entspricht der altrechtlichen Vormundschaft.
Ernennung eines Beistands oder einer Beiständin
Für die vorgesehenen Aufgaben ernennt die zuständige Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) einen Beistand oder eine Beiständin. In vielen Fällen ist dies eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter der Amtsbeistandschaft/Sozialbehörde. Möglich ist aber auch eine fachlich geeignete Privatperson oder ein Familienmitglied. Die KESB kann, muss aber eine vorgeschlagene Wunschperson nicht berücksichtigen. Dieser Beistand steht unter Aufsicht der KESB, benötigt für bestimmte Aufgaben die Bewilligung und hat dieser Behörde mindestens alle zwei Jahre Bericht zu erstatten.
Inhalt eines Vorsorgeauftrags
Wer eine solche Beistandschaft abwenden will, kann das mit einem sogenannten Vorsorgeauftrag tun. Dieser regelt, durch wen und wie man im Fall der Urteilsunfähigkeit betreut werden will. Vorsorgebeauftragte können natürliche oder juristische Personen sein. Beispielsweise der Ehe- oder Lebenspartner, Treuhänder oder gemeinnützige Organisationen. Wenn jemand seine Urteilsfähigkeit verliert, sorgen die eingesetzten Personen oder Organisationen für das persönliche Wohl der kranken oder verunfallten Person und übernehmen auch die Vermögensverwaltung. Der Vorteil: Der Betroffene kann selber bestimmen, wer sich um ihn und um sein Vermögen kümmert – eine permanente Aufsicht durch die KESB entfällt.
Die Personensorge
Im Vorsorgeauftrag kann die Personensorge und/oder die Vermögenssorge geregelt werden. Bei der Personensorge geht es darum, die Betreuung und einen geordneten Alltag des Auftraggebers sicherzustellen. Dazu gehören insbesondere die Wohnsituation (zum Beispiel die Frage der Unterbringung) und die Veranlassung aller für die Gesundheit notwendigen Massnahmen.
Die Vermögenssorge
Wer mit einer Vermögenssorge beauftragt ist, verwaltet das gesamte Vermögen der betreffenden Person, erstellt deren Steuererklärung und vertritt sie in vermögensrechtlichen Angelegenheiten. Im Vorsorgeauftrag können detaillierte Weisungen zur Vermögensverwaltung vorgegeben werden. Ob dies im Einzelfall sinnvoll ist, sollte in einem persönlichen Gespräch zwischen einem Fachmann und dem Kunden ermittelt werden. Es ist dringend davon abzuraten, vorgedruckte Formulierungen unbesehen und von einer Fachperson ungeprüft zu übernehmen.
Eigenhändig niederschreiben oder beim Notar öffentlich beurkunden
Der Gesetzgeber hat als Gültigkeitserfordernis die handschriftliche Niederschrift (mit Datum und Unterschrift) oder die öffentliche Beurkundung vorgesehen. Damit kommen ähnliche Formvorschriften wie bei einer Verfügung von Todes wegen (Testament, Erbvertrag) zur Anwendung. Nachdem der Vorsorgeauftrag gültig errichtet worden ist, entfaltet er noch keine Wirkung. Erst durch den sogenannten «Validierungsbeschluss» durch die zuständige Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde wird der Vorsorgeauftrag für wirksam erklärt. Die zuständige KESB prüft unter Einbezug der behandelnden Ärzte, ob die Urteilsunfähigkeit eingetreten ist und setzt den Vorsorgeauftrag in Kraft.
Solange jemand urteilsfähig ist, kann er seinen Vorsorgeauftrag jederzeit widerrufen: Dies kann in einer der beiden Errichtungsformen erfolgen (handschriftlich bzw. öffentliche Beurkundung) oder durch physische Vernichtung.
Neue gesetzliche Regelungen der Patientenverfügung
Teil des neuen Erwachsenenschutzrechts ist auch die gesetzliche Neuregelung der Patientenverfügung. Bisher regelte jeder Kanton in eigenen Gesetzen, wie Ärzte und Spitäler mit solchen Willensäusserungen von Patienten umzugehen haben. Entsprechend unterschiedlich waren diese Regelungen.
Schweizweit einheitlich
Nun gelten schweizweit dieselben gesetzlichen Grundlagen, wonach eine urteilsfähige Person mit einer Patientenverfügung im Voraus festhalten kann, welchen medizinischen Massnahmen und Organspenden sie zustimmt und welche sie ablehnt. Es kann darin auch eine Vertrauensperson eingesetzt werden, die der behandelnde Arzt bei medizinischen Fragen in die Entscheide einzubeziehen hat. Der Arzt hat Handlungen, die von der Patientenverfügung abweichen, zu dokumentieren und zu begründen. Die Angehörigen oder unter Umständen der Patient selber kann in einem solchen Fall die zuständige KESB einschalten, um den Entscheid des Arztes zu überprüfen.
Früh beginnen, genug Zeit einplanen
Es lohnt sich, für die komplexe Materie um Vorsorgeauftrag, Patientenverfügung und Erbrecht genügend Zeit einzuplanen. Am besten diskutiert man die einzelnen Punkte und Wertvorstellungen so früh wie möglich innerhalb der Familie und mit Fachleuten. So kann sichergestellt werden, dass bei einem späteren Ernstfall die eigene Gesundheit und das eigene Vermögen in sicheren Händen sind.