2. Säule: Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen im Aufwind
Die 2. Säule befindet sich im Wandel. So werden Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen (SGEs) in der beruflichen Vorsorge immer wichtiger, während die Anzahl firmeneigene Pensionskassen sowie das Vollversicherungsmodell rückläufig ist.
Stabile Anzahl und wachsende Vermögensanteile
Seit der Einführung des Bundesgesetzes für die berufliche Vorsorge (BVG) 1985 nimmt die Anzahl Vorsorgeeinrichtungen laufend ab. Zu Beginn gab es rund 15’000 Pensionskassen, 2004 noch 2935, Ende 2021 waren es nur noch 1389. Die Anzahl Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen (SGEs) blieb hingegen stabil.
Das Vermögen der SGEs nahm gleichzeitig durch natürliches Wachstum in der beruflichen Vorsorge und durch Gelder von Pensionskassen, die sich den SGEs angeschlossen haben, zu. Gemessen an der Bilanzsumme, lag der Anteil der Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen in der 2. Säule im Jahr 2004 bei 14 Prozent, 2013 waren es 20 Prozent, und 2021 betrug der Anteil bereits die Hälfte. Seit 2014 entspricht das Vermögenswachstum in der 2. Säule fast ausschliesslich jenem der SGEs.
Mehrheit aller Versicherten bei Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen
Die gestiegenen Vermögenswerte spiegeln sich in der Verteilung der Versicherten und Rentner wider. Von rund 4,5 Millionen aktiven Versicherten gehören 73 Prozent einer SGE an. Dieser Anteil lag 2004 noch bei 53 Prozent bei einem Total von 3,2 Millionen Versicherten. Ähnlich sieht die Entwicklung bei den Rentnern aus: Von ihnen bezogen im Jahr 2021 bereits 57 Prozent ihre Rente aus einer Sammel- oder Gemeinschaftseinrichtung, 2004 waren es noch 25 Prozent.
Regulierungsdruck und Risikoüberlegungen treiben Konsolidierung voran
Ein wichtiger Grund für den langjährigen Konsolidierungsprozess liegt in der zunehmenden Regulierung, die für kleine Pensionskassen schwerer zu stemmen ist. Arbeitgeber dürften den Anschluss an eine SGE auch suchen, da sich die Suche nach geeigneten Arbeitnehmervertretern im Stiftungsrat oft schwierig gestaltet, nicht zuletzt angesichts der damit einhergehenden Verantwortlichkeiten und möglichen Haftungsrisiken. Unter diesen Aspekten ist davon auszugehen, dass die Konsolidierung voranschreitet, allenfalls in einem inzwischen etwas langsameren Tempo.
Ähnliche Anlagestrategie trotz unterschiedlichem Risikoprofil
Bis vor einigen Jahren unterschied sich das durchschnittliche Anlageverhalten zwischen Sammeleinrichtungen und den übrigen Verwaltungsformen. Die Aktienallokation und auch die Immobilienquote von Sammeleinrichtungen lagen lange Zeit unter jener der übrigen Vorsorgeeinrichtungen. Im Gegenzug war die Gewichtung von flüssigen Mitteln höher.
Parallel zu den steigenden Vermögenswerten ist im letzten Jahrzehnt jedoch eine kontinuierliche Angleichung des Aktienanteils festzustellen. Ein Grund für diese Entwicklung dürfte der zunehmende Wettbewerbsdruck sein: Leistungsniveaus wie bei den übrigen Vorsorgeeinrichtungen konnten nur durch ähnlich renditestarke Anlagen erreicht werden. Zudem könnte die stetige Überführung der Vollversicherungsmodelle in die (Teil-)Autonomie von Sammelstiftungen zu einer zu Beginn vorsichtigeren Anlagestrategie geführt haben.
Tiefere Altersstruktur sollte Risikofähigkeit erhöhen
Das mittlerweile sehr ähnliche Anlageverhalten der Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen gegenüber den übrigen Vorsorgeeinrichtungen überrascht auf den ersten Blick, da insbesondere Sammeleinrichtungen im Durchschnitt eine jüngere Altersstruktur aufweisen.
Ein Umstand, der sich positiv auf die Risikofähigkeit auswirkt. So war Ende 2021 der Anteil der aktiven Versicherten am Vorsorgekapital der Aktiven und Rentner bei den Sammeleinrichtungen mit 66 Prozent höher als bei den übrigen Vorsorgeeinrichtungen (Gemeinschaftseinrichtungen 59 Prozent, Vorsorgeeinrichtungen eines einzelnen Arbeitgebers 58 Prozent, Vorsorgeeinrichtungen mehrerer Arbeitgeber 52 Prozent).
Höheres Abflusspotenzial und mögliche Verwässerungseffekte
Während die jüngere Altersstruktur grundsätzlich die Risikofähigkeit einer Pensionskasse erhöht, hat sie im Fall von SGE aber auch Nachteile: Das Abflusspotenzial einer SGE mit beweglichen aktiven Versichertenbeständen ist höher.
Während Pensionskassen mit einem oder mehreren Arbeitgebern von der Personalentwicklung der angeschlossenen Unternehmen abhängig sind, sind SGEs zusätzlich allfälligen Geldzu- und -abflüssen ihrer Anschlüsse ausgesetzt. Die potenziell höheren Geldabflüsse erschweren den Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen die Planbarkeit ihrer Versichertenbestände und verstärken mögliche Verwässerungseffekte.
Auch Renditeziele beeinflussen die Anlagestrategie
Neben der Risikofähigkeit gilt das Renditeziel als der zweite entscheidende Einflussfaktor auf die Asset Allocation. Bei Vorsorgeeinrichtungen wird dieses Renditeziel durch Verzinsungserfordernisse der Vorsorgekapitalien der aktiven Versicherten sowie der Rentenbezüger und der Finanzierung allfälliger zusätzlicher Kosten bestimmt.
Durch die lange Zeit tiefere Aktienquote von Sammeleinrichtungen weisen diese historisch auch die tiefsten Renditen auf. Hingegen liegen die Renditen der Gemeinschaftseinrichtungen im Bereich der übrigen Vorsorgeeinrichtungen. Von 2004 bis 2021 erreichten Sammeleinrichtungen annualisiert eine Nettorendite von 3 Prozent, Gemeinschaftseinrichtungen 3,6 Prozent, Vorsorgeeinrichtungen nur eines Arbeitgebers 3,5 Prozent und Vorsorgeeinrichtungen mehrerer Arbeitgeber 3,8 Prozent.
Bei den Verzinsungen ihrer Altersguthaben weisen Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen keine signifikanten Unterschiede im Vergleich zu den übrigen Vorsorgeeinrichtungen auf. Über einen langen Zeitraum verzinsten sie ihre Altersguthaben zwar höher, in den letzten fünf Jahren jedoch tiefer.
Wettbewerb in der 2. Säule zum Vorteil der Versicherten
Das Interesse von SGEs, zu wachsen und neue Anschlüsse zu gewinnen, trägt zu einem attraktiven und vielseitigen Angebot an Vorsorgelösungen bei. Dies manifestiert sich im konkurrenzfähigen Leistungsniveau, was die Verzinsung der Altersguthaben oder die Umwandlungssätze angeht. Während Erstere keine nachhaltigen Unterschiede aufweisen, sind die Umwandlungssätze im Durchschnitt höher als jene der übrigen Vorsorgeeinrichtungen. Um ansprechende Leistungen anbieten zu können, sind SGEs zudem bestrebt, Abläufe und Organisatorisches zu optimieren und effizienter zu gestalten.
Im kompetitiven Umfeld von SGEs gilt es, dem Zielkonflikt zwischen Wachstum und Stabilität Aufmerksamkeit zu schenken. Attraktivere Leistungsparameter wie derzeit die Umwandlungssätze müssen langfristig finanzierbar sein, um die Stabilität der Vorsorgeeinrichtungen und damit die Altersleistungen zu gewährleisten. Da inzwischen rund die Hälfte aller Vermögenswerte in der 2. Säule bei SGEs liegen, kommt ihnen eine systemrelevante Verantwortung zu.